Erfahrungsbericht eines Extremläufers
Von unserem Gastautor Rainer Koch
Mit neun Jahren absolvierte Rainer Koch seinen ersten Wandermarathon mit der Familie, neun Jahre später seinen ersten Ultralauf. Bis heute hat er an 126 Ultra-Laufveranstaltungen teilgenommen und dabei 27.765,915 km zurückgelegt. Als bisher einziger Läufer gewann Rainer Koch sowohl den Trans-Amerika-Ultralauf, als auch den Trans-Europa-Lauf. Für das kommende Jahr 2020 plant Rainer die Teilnahme am TransEspaña (TransSpanien). Seit vielen Jahren sind wir Rainers Sponsor und freuen uns sehr darüber, dass er uns hier einen Einblick in die Welt des Ultraläufers gibt.
Faszination Ultramarathon
Es gibt mehrere Gründe, weswegen ich am liebsten Ultramarathons laufe. Abhängig von der aktuellen Stimmung habe ich entweder stundenlang meine Ruhe und kann abschalten oder ich kann mich mit Lauffreunden austauschen. Während eines Ultramarathons lerne ich meinen Körper auf eine ganz besondere Art kennen, lerne, an seine Grenzen zu gehen, diese zu schätzen, aber auch auszutesten. Eine Eigenschaft, die mir auch in anderen Lebenssituationen hilfreich ist.
Wie läuft ein mehrtägiger Ultramarathon ab?
Mehrtagesläufe sind so aufgebaut, dass man jeden Tag (normalerweise ohne Ruhetag) eine vorgegebene Distanz zurücklegt. Diese variiert durch die lokalen Gegebenheiten und orientiert sich hauptsächlich an der Lage möglicher Unterkünfte. Täglich wird die Laufzeit gestoppt und am Ende aufsummiert. Je nach Veranstalter gibt es morgens einen gemeinsamen Start oder zeitversetzte Startgruppen. Am Ende siegt derjenige, der in der Summe die geringste Zeit für die Gesamtstrecke benötigt hat.
Wie schafft man einen Mehrtageslauf?
In meinen Augen gibt es vier Dinge die man benötigt, um einen Mehrtageslauf zu schaffen: körperliche Fitness, mentale Stärke, Spaß am Laufen und Glück.
Natürlich sind genügend Trainingskilometer vorab unabdingbar. Nur so bringt man die nötige Kondition und Fitness mit. Mentale Stärke kommt, ähnlich wie die Fitness, nicht von heute auf morgen. Es dauert Jahre, um sich selbst durch eigene Erfolge und Niederlagen kennenzulernen, um zu wissen, was man kann, was man seinem Körper zumuten kann und dass es nicht immer ein Kinderspiel ist. Als Drittes benötigt man Spaß am Laufen. Man darf es nicht als Pflicht betrachten, sondern als Belohnung sehen. Im Prinzip ist Laufen wie „zur Arbeit gehen“. Wenn man sich dorthin quälen muss, hat das negative Auswirkungen auf die Effektivität. Ähnlich ist es beim Training. Wenn man das Training als Erholung sieht, aus Spaß und Freude am Laufen, dann hat es viel mehr Wirkung, als wenn man es wie eine Pflicht oder Qual empfindet. Als letzten Punkt zähle ich das Glück dazu, das einem während eines Wettkampfes widerfährt. Ohne Glück ist man oft schneller aus dem Rennen als man denkt.
Schließlich ist es wichtig, die richtige Balance zu finden. Versucht man zu schnell zu sein, so bekommt man schnell Probleme und ist erschöpft. Ist man zu langsam unterwegs, bekommt man am Ende zu wenig Ruhe und Schlaf ab.
5 typische Phasen während eines Ultramarathons
Nicht jeder durchläuft jede Phase und auch die Reihenfolge ist nicht immer gleich, denn es hängt stark vom Läufer selbst und vom Rennverlauf ab. Dennoch würde ich folgende fünf Phasen als die typischen betrachten:
- Phase: Übereifer
- Phase: Qual
- Phase: Zweifel
- Phase: Vorfreude
- Phase: Leere
Die erste Phase gilt sicher für alle – Übereifer am Anfang. An den ersten Tagen ist man noch sehr frisch und glaubt Bäume ausreißen zu können. Man läuft zu schnell los und zieht sich eine Verletzung zu. Gerade am Anfang ist es wichtig, es langsam anzugehen. Das ermöglicht es dem Körper, sich an die neue Belastung zu gewöhnen.
Zu schnelles Laufen verursacht häufig das schmerzhafte Schienbeinkantensyndrom (Shin-Splint-Syndrom), das zu einer sehr qualvollen zweiten Phase führt. Diejenigen, die es trifft, werden auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Dennoch haben einige Mehrtagesläufe gezeigt, dass es möglich ist, wieder zurück ins „normale“ Rennen zu kommen. Wichtig ist, dass man langsam läuft und sich um seine Probleme kümmert. Selbst wenn es einem wieder besser geht, sollte man nicht in Euphorie verfallen. Der Körper dankt es, wenn man erst noch ein paar Tage langsam läuft. In dieser Phase war ich selbst zum Glück nur sehr selten.
Gerade wenn man sich quält, dann kommt auch oft die dritte Phase – der „Warum tue ich mir das an?“-Phase. In diese Phase des Zweifels kommt man schnell, wenn es nicht so läuft wie man sich es erwünscht hat. Aber auch Lagerkoller, Schlafentzug, Stress mit anderen Läufern können dazu führen. Man sollte dabei nicht vergessen, dass ein solcher Mehrtageslauf eine Höchstbelastung ist und man seinem Körper und Geist viel abverlangt. Kleinigkeiten können dementsprechend schnell zu Konflikten führen.
Die vierte Phase ist die letzte Phase des Rennens und wohl die schönste: die Vorfreude, man freut sich auf das nahende Ziel. Hier gibt es kaum noch etwas, das einen stoppen kann. Vor allem am letzten Tag kann man das beobachten, wenn die „Abgeschriebenen“ auf einmal rennen wie junge Götter.
Nach dem Lauf kommt die fünfte Phase: die Leere. Für viele ist das Rennen zu Ende, das Ziel geschafft, und es stellt sich die Frage „Was nun?“. Ohne neue Ziele oder neue Aufgaben bricht schlagartig eine Welt zusammen. Möglicherweise hatte man sich jahrelang auf diesen Lauf vorbereitet und nun ist alles vorbei. Es ist wie beim Abschluss eines Großprojekts, nach dem es kein neues Projekt mehr gibt.
Motivation während eines mehrtägigen Ultralaufs
Ein Mehrtageslauf ist wie ein Großprojekt, in dem man Manager und gleichzeitig Arbeiter ist. Man muss bereits lange vor dem Startschuss planen und sich Zwischenziele setzten. Diese sollten realistisch sein, so dass man sich nicht unnötig unter Druck setzt. Nach jedem geleisteten Lauftag sollte man seine Ressourcen – seinen Körper und Geist – wieder auf Vordermann bringen. Genügend Ruhe, ausgeglichenes Essen, und reichlich Trinken sind das A und O. Aber auch eine kleine Belohnung sollte man sich gönnen. Für den einen ist es der Kaffee und Kuchen nach dem Lauf, für den anderen das Bierchen im Ziel oder einfach nur ein Nickerchen in der warmen Sonne. Wichtig ist, dass man alles was einen negativ beeinflusst, von sich fernhält!
Meine 3 Tipps für Laufanfänger
Für mich gibt es drei Dinge, die man sich zu Herzen nehmen sollte:
Erstens: Zum Laufen benötigt man eigentlich nur ein paar Schuhe. Um High-Tech Ausrüstung und spezielle Ernährung kann man sich später kümmern. Das wichtigste ist erst einmal der eigene Körper und Geist.
Zweitens: Meiner Meinung nach, sollte man das Laufen auf sein Leben einstellen und nicht sein Leben auf das Laufen. Jeder sollte sich also erst einmal Gedanken darüber machen, warum er das Laufen anfängt. Ist es, um sich fit zu halten, um Zeit in der Natur zu verbringen, um Leute kennenzulernen oder um sich selbst etwas zu beweisen und sich mit anderen zu messen?
Drittens: Man sollte nicht gleich verzagen, wenn es mal nicht so läuft wie man es möchte. Je länger man laufen will, desto mehr Geduld und Zeit braucht man. Ein alter Freund sagte mal: „Rekorde und Bestzeiten kann man nicht erzwingen. Sie kommen dann, wenn es soweit ist.“ Und dies gilt gleichermaßen für jemanden, der z.B. einen Marathon unter 4 Stunden erreichen will und für jemanden, der einen neuen Weltrekord aufstellen möchte.
2011 hat Rainer Koch den LANY11 gewonnen. LANY ist die Kurzform für Los Angeles New York. Auf seiner Website hat Rainer über jede Etappe dieses Rennens ausführlich geschrieben. >>> Lesenswert!
STRIDE quarter
Mit schmerzfreien Füßen kommst du deinem Laufziel ein Stück näher!Mit der STRIDE durch die USA
Das Modell STRIDE ist für einen Langstreckenlauf wie der LANY oder der TransEspagna die beste Wahl. Es liegt eng am Fuß und kann so einiges ab. Für einen Mehrtageslauf empfehlen wir zwei Paar Socken zum Wechseln.
Rainer Koch während seines Laufs von Los Angeles nach New York. Was für eine Leistung!
Hier ist ein Streckenbeispiel vom LANY 2011. Um hier stundenlang zu laufen, muss man mental auf der Höhe sein.
Hinterlasse einen Kommentar